Da rollt mein (sehr gut) eigenstartfähiges Segelflugzeug Richtung Paris vom Hof und der Käufer wird sicher ebenso glücklich und zufrieden mit dem Segelflugzeug sein, wie ich es war. Wer jetzt hofft, dass ich etwas Schlechtes zu berichten hätte, dem kann ich nur sagen: es wäre Jammern auf allerhöchstem Niveau und dazu glatt gelogen. Kurz gesagt, ich hätte mir das Modell ohne jedes Zögern wieder gekauft, wenn ich nicht die Antares kennen gelernt hätte.
Aber einen wirklichen Anlass zur Sorge hatte ich nicht, denn im vergangenen Sommer konnte ich bei einem ausführlichen Probeflug ab Zweibrücken mit einer Antares 20E nur konstatieren, dass es Axel Lange und seiner Mannschaft gelungen ist, tatsächlich etwas in die Luft zu bringen, das dem Optimum für mich sehr nahe kommt. Die Antares ist nicht die Eier legende Wollmilchsau, die die Quirligkeit der 15m-Flieger mit dem Gleitzahlvermögen der eta / concordia unter einen Hut bringt – das wäre doch eine zu verwegene Verkaufspolare. Aber sie ist ein perfekter Kompromiss aus Handling am Boden und Flugleistung in der Luft.
Ich will mich dazu nicht mit den in anderen Berichten ausführlich beschriebenen Fakten aufhalten. Denen ist nichts hinzuzufügen, sondern ein paar subjektive Punkte aufgreifen, die meines Erachtens den Fortschritt für mich begründen. Was heißt hier Fortschritt? Es sind in vielen Punkten Nuancen – selbst wenn technisch dahinter eine Revolution stecken sollte (was ich nicht wirklich beurteilen kann), die sich erst nach einiger Zeit entdecken lassen.
Da ist die Ergonomie des Cockpits: zunächst habe ich das Gefühl, ich finde da keine passende Sitzposition, trotz der wirklich vielfältigen Einstellmöglichkeiten. Irgendwie ist der Knüppel zu nah, ich sitze seltsam(?), die Flugzeugnase so endlos weit weg. Das Ergebnis ist verblüffend, ich habe die Sitzposition so wie von Axel Lange für meine Körpergröße vorgedacht wurde eingestellt und alles passt im Flug perfekt. Ich muss mich nicht zur Einstellung am Flugcomputer oder Instrumenten nach vorne beugen oder den Arm über Gebühr ausstrecken, der Knüppel fällt einem regelrecht in die Hand, alle Bedienelemente liegen im kommoden Umkreis.
Zum Wohlfühlfaktor tragen weiterhin das sehr leise Fluggeräusch, die ausgezeichnete Sicht nach Draußen, die sehr niedrigen Steuerkräfte – Grobmotoriker seien wirklich gewarnt, aber die können den Knüppel unten anfassen – ebenso bei, wie das Raumgefühl im Cockpit, obwohl sich links und rechts der Ellbogen kein Ballsaal erstreckt. Höchst beeindruckend für mich ist, dass, obwohl mir der Steuerknüppel am Anfang viel zu nah erschien, er wirklich am richtigen Ort sitzt und sich das Flugzeug damit „aus dem Handgelenk“ steuern lässt. Einen Wermutstropfen muss ich vergießen: wohin mit dem ausgesprochen komfortablen, mitgelieferten Sennheiser-Kopfhörer? Da hätte ich in diesem aufgeräumten Cockpit gerne einen dedizierten Platz, denn ihn über die Kopfstütze zu würgen, ist hier wegen der Breite der Kopfstütze nicht möglich und ihn einfach in die Ecke zu pfeffern, dazu ist er mir zu filigran. Jetzt lege ich ihn über das linke Knie.
Es ist zwar alles recht schön, wenn man bequem gebettet ist, aber die Antares ist ein Segelflugzeug. Dazu muss sie erstens bestens gleiten und zweitens bestens nach oben kommen – sonst hätte sie nicht die 100% verdient. Nun bin ich kein Wettbewerbspilot und von daher ist mir der Geschwindigkeitsbereich deutlich über 200 km/h tendenziell nicht wichtig, vielleicht habe ich auch keine Ahnung, wie wichtig diese Geschwindigkeiten sind. Nur alles was sich im Bereich darunter hinab bis 110 km/h abspielt, hätte ich mir nicht erträumt. Die Gleitleistungen sind phänomenal, ja ich bin sogar bereit, die angegebene Gleitzahl von 56 zu glauben (zumindest habe ich meine Computer-Polare so eingestellt und sie passt sehr ordentlich im Endanflug).
Was besonders gut gelingt ist das, was ich als „Dahinschippern“ bezeichnen würde. Keine starke Thermik – um die 1m/s -, Ansätze zu Wolkenstraßen, viele Kilometer ohne Wolken und trotzdem geht es mit 120, 130, 140 km/h völlig unproblematisch dahin. Ich kann es nicht anders beschreiben. Es ist einfach und mühelos schon bei diesen Bedingungen zu fliegen.
Anderes Beispiel: ich biege – das Glück gehört dazu – bei Ansbach von Norden kommend um die Ecke Richtung Kelheim und fliege runde 120 km am Stück und ohne einen Kreis gerade aus. Das mögen andere auch schon erlebt haben – mich hat dabei wieder einmal diese ausgewogene Balance zwischen Gleitleistung, die bei höheren Geschwindigkeiten bis 170 km/h überraschend wenig nachlässt, und Steigenmitnehmen begeistert. Meine durchschnittliche Reisegeschwindigkeit ist jedenfalls bei meinen Flügen mit der Antares deutlich angestiegen. Man muss seinen Flugstil deutlich weg von Kreisen und Rasen in Richtung moderat gleiten (das bedeutet bei der Antares, um 130 – 140 km/h) und das Steigen im Geradeausflug mitnehmen (mit 100 – 110 km/h).
Lange Gleitstrecken wären an sich nichts Außergewöhnliches, das können die „echten“ offenen Klasse-Flugzeuge auch, wenn da nicht das Kapitel bestens nach oben kommen wäre. Die Behauptung, dass eine Antares 20E so leichtfüßig wie ein modernes Standardklassemodell in der Luft turnt, würde ich nicht aufstellen. Aber dass sie mindestens so agil wie die aktuellen 18m-Segelflugzeuge ist, das würde ich in jedem Fall unterschreiben, trotz zwei Meter mehr Spannweite und den Akkus in den Flügeln, deren Massen bewegt werden müssen.
Auch unter sehr schwachen Bedingungen, z.B. an Spätherbsttagen, an denen es grade so geht, ist ein moderner und deutlich leichterer Standardklasseflieger im Oben-bleiben durch das agilere Handling im Vorteil. Der „Vorteil“ allerdings kein wirklicher, denn Streckenfliegen ist an diesen Tagen nicht angesagt. Und der Vergleich hinkt gewaltig. Bei solchen Bedingungen hat die 18m-Klasse ebenfalls keine rechte Freude und die offene Klasse überhaupt nicht – irgendwelche Spezialisten, deren Fähigkeiten wohl turmhoch über den meinigen liegen, mal ausgenommen. Wenn es so ab die 1 m/s steigt und man die beiden Flügel der Antares halbwegs in der Thermikblase unterbringen kann (gern auch sehr steil), dann beginnt die Welt der Antares. Und zwar in zweierlei Hinsicht.
Ich bin mir sehr sicher, dass ein moderner Standardklasseflieger ohne Wasser nicht besser steigt – trotz meiner Flächenbelastung von 44 kg/m2 mit der Antares. Hier zeigen sich die letzten 20 Jahre Aerodynamik-Wissen auf höchst angenehme Weise. Und ich bin kein Langsam-Kurbler; 100 km/h sind es eigentlich immer. Noch viel eindrücklicher ist die Thermiksensibilität: da mag das Vario noch so jubeln, wenn die Antares sich nicht schüttelt, dann ist da keine Thermik. Und zu allem Überfluss wird einem die richtige Seite zum Eindrehen noch förmlich aufgedrängt. Ich mache jedenfalls zunehmend weniger Fehler bei der Auswahl der Seite – das könnte allerdings auch an der wachsenden Flugerfahrung liegen. Das fliegerische Fazit lautet dann auch: absolut einfach zu fliegen, extrem feinfühlige Anzeige der Thermik und ein hervorragendes Gleit- und Steigvermögen (geradeaus und um die Kurve).
Gerade diese Kombination lässt beachtliche Flugstrecken und entspannte Flüge – ich traue es mich fast nicht zu sagen – auf spielerisch einfache Weise entstehen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was eine Gleitzahl von 100 bedeuten würde: ein segelfliegerischer Maybach ohne jeden Kontakt zur eigentlichen Welt, vielleicht sogar langweilig? Eine Anmutung, was das in Punkto Leistung bedeuten könnte, kann man mit der Antares bereits heute erfliegen.
Die Antares ist ein eigenstartfähiges Segelflugzeug und diesen Part bewältigt sie mit Bravour. Der Antrieb ist bärenstark und die Bedienung stellt selbst für 10-Daumen und nur linke Hände-Piloten keine Hürde dar. Dass der Antrieb extrem leise – was vor allem von Außenstehenden deutlich bekundet wird, denn sie hören schon nach wenigen Metern Abstand nichts mehr – und vibrationsarm läuft, ist ein höchst willkommener Quantensprung. Von der Zuverlässigkeit ganz zu Schweigen!
Womit erkauft man sich diese Vorteile? Der Elektromotor und die Leistungssteuerung stehen definitiv nicht auf der Nachteilsseite. Der Motor, ein Kernelement des Antriebs, wirkt von außen völlig unscheinbar und doch steckt allein in ihm soviel Neues, dass das Entwicklerteam damit den schweizerischen Innovationspreis gewonnen hat. Die Bedienung des Antriebs (vom Ausfahren über die Leistungssteuerung bis zum Einfahren) ist auf einen einzigen Bedienhebel reduziert, weniger und simpler geht es nicht.
Für den Energiespeicher Akku und besonders der Einsatz im Flugzeugbau gilt das nicht ohne weiteres. Ich will nicht alles Für und Wider hierzu erörtern, schließlich ist der gewählte Akkutyp „state of the art“. Wer sich heute für einen solchen Antriebsstrang entscheidet, der muss sich im Klaren sein, dass mehr als das in der Antares Gebotene hier und heute nicht geht. Punkt. Wer die Antares als Segelflugzeug mit Hilfsantrieb begreift, dem wird eine völlig ausreichende Steighöhe pro Akkuladung geboten. Klar wären 5.000 Höhenmeter Steigen besser, aber ich hatte im Vorfeld der Kaufentscheidung meine Flüge der letzten Jahre analysiert und konnte feststellen, dass in 95% der Fälle um die 2.500 Meter Steigen (einschließlich Eigenstart) ausreichend waren, um sicher wieder nach Hause zu gelangen. Die verbleibende 5% habe ich dadurch provoziert, dass ich es trotz schlechter Wetteroptik probiert habe, fern des Heimatflugplatzes das sichtbar Unmögliche möglich zu machen. Was auch nicht geht, ist morgens eine halbe Stunde oder länger mit dem Motor in die Alpen zu fliegen und abends das Gleiche retour – mich stört das nicht.
Dass die Akkus einer anderen Aufmerksamkeit bedürfen als das sorgfältige, dreckpartikelfreie Betanken mit im korrekten Verhältnis gemischtem Treibstoff? Ja, das ist so. Aber es überfordert nur denjenigen, der die einfachsten Pflegeregeln für seine Bleiakkus schon in der Vergangenheit mit Füßen zertrampelt hat. Dass die Akkus einer Alterung und damit einem Kapazitätsverlust unterliegen? Der Punkt ist nicht zu leugnen. Nur sind hochkapazitive und hochstromfeste Akkus ein Herzenswunsch des Militärs (es ist leider eine Tatsache, dass Spitzentechnologie gerade aus diesem Beweggrund entwickelt wird) und diese werden von ganzen Industrien bedient, was ich zumindest für 2-Takt-Segelflugzeugmotoren nicht so erkennen kann.
Das Fazit für den Antriebsstrang lautet: Die Antares ist ein Segelflugzeug und kein Motorsegler mit großem Überlandtank. Alles hierfür Notwendige und darüber hinaus Handlings- und Umweltvorteile werden mit der eingebauten Technologie geboten. Allein die Akkus sind der limitierende Faktor was die Gesamtleistungsfähigkeit anbelangt und wer sich damit nicht anfreunden kann, der muss derzeit zum Verbrennungsmotor greifen. Alles andere ist – zumindest heute noch – eine eher weltanschauliche Diskussion, die häufig am Beginn von Konzeptionswechseln steht.
Ob es klug war, meinen „alten“ Eigenstarter zu verkaufen? Meine Ehefrau ist in ihrem tiefsten Inneren sicher überzeugt, dass ich einen Vogel habe, so viel Geld für ein Spielzeug auszugeben – und sie hat Recht. Nur die Segelflugzeuge dieser Kategorie sind inzwischen so teuer, dass man lieber gleich das Richtige kaufen sollte… Und der Pilot bleibt weiterhin (leider?) der limitierende Faktor, was mit der Antares am Ende des Tages an Kilometern oder an Flugvergnügen heraus kommt.
Gregor Kunsemüller Antares 20E Werknr. 12